Zur Ausstellung
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Die 1980er und frühen 1990er Jahre im Zerrspiegel einer Sammlung
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Kuratiert von Robert Müller im Dialog mit Helmut Draxler
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Gesamtleitung:Cosima Rainer
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Kuratorische Assistenz:Judith Burger, Laura Egger-Karlegger, Manon Fougère
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Ausstellungsgestaltung:Robert Müller
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Textbeiträge:Laura Egger-Karlegger, Manon Fougère, Robert Müller, Samira Plunger
Abbildungen
Text
Eine Ausstellung von Kunstsammlung und Archiv der Universität für angewandte Kunst Wien
Die Ausstellung Fernheilung blickt auf das künstlerische Geschehen in Wien in jenem Jahrzehnt, in dem die Sammlung der Angewandten gegründet wurde. Anhand von Werken aus dem Umfeld der damaligen Hochschule, von Dokumenten und von ausgewählten Leihgaben entsteht ein Parcours, durch den wichtige Ereignisse, Ausstellungen, künstlerische Strömungen und Diskursformationen in ihrem Zusammenhang erkennbar werden sollen. So werden die Praktiken von Lehrenden und Studierenden im Kontext des Ausstellungsgeschehens in Wien ebenso verortet wie in den internationalen Tendenzen der Zeit. Dadurch können auch damit verbundene – teilweise generationelle – Brüche und Motive des Dissenses exemplarisch nachgezeichnet werden.
Markiert jede Sammlung notwendigerweise Ein- und Ausschlüsse entlang weitgehend opaker, sich nur gelegentlich lichtender Verhältnisse, so versucht diese besondere Sammlung bereits in ihren Anfängen in den 1980er Jahren unter der Leitung von Oswald Oberhuber und Erika Patka sich selbst in ihrer historischen Bedingtheit zu begreifen. Man sammelt zwar durchaus nach Lust und Laune, jedoch mit einem programmatischen Anspruch, der in Ausstellungen auch öffentlich sichtbar gemacht werden soll. Zunächst zielt jenes Programm darauf, den Kanon des 20. Jahrhunderts neu zu ordnen und zu bewerten, welchen Anteil die Kunstgewerbeschule an seiner Etablierung trug; außerdem befasste es sich mit der in Österreich erst sehr spät beginnenden Aufarbeitung des kollektiv verdrängten Anteils am Nationalsozialismus; und schließlich versucht es, das aktuelle Zeit- und Schulgeschehen (kunst-)historisch abzubilden.
Die Ausstellung Fernheilung möchte an diese Programmatik anknüpfen, indem sie die Logik dieser Sammlung aufgreift: in der Art und Weise, wie sie den Sammlungskörper beschreibt, darin Akzente setzt, Korrekturen und neue Kontextualisierungen vornimmt. Die Sammlung der Angewandten bleibt sich treu, indem sie sich verändert. Somit entwirft die Ausstellung ein Bild der Sammlung, das gleichzeitig geschichtlich und gegenwärtig ist. Durch unterschiedliche, einander widerstrebende, ja widerstreitende Register von Zeitgenoss:innenschaft wird dieses Bild zum notwendig verzerrten Spiegelbild je eigener Blickregime, Wertformen und Betrachtungsweisen.
Dementsprechend wird der Begriff der Fernheilung hier nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich verstanden. Er verkörpert weniger ein teleologisches Motiv, als würde ein Phantasma von Erlösung aufgerufen, sondern vielmehr den Ausdruck einer bis zur Unmöglichkeit reichenden Schwierigkeit, „therapeutische“ Problemstellungen und Setzungen zu beleuchten, die mit jedem historischen Aktualisierungsversuch einhergehen. Anders, als es diesem Titel nach zu vermuten steht, kann die Ausstellung weder eine gesamte Dekade erschöpfend beschreiben, noch kann sie Vollständigkeit, oder annähernd so etwas wie Heilung behaupten (vielmehr wäre, wenn man überhaupt in dieser Terminologie verbliebe, Krankheitseinsicht treffender).
Entlang paradigmatischer Ausstellungen und Veranstaltungen wie Design ist unsichtbar (Forum Design, Linz 1980), Zeichen, Fluten, Signale (Galerie Nächst St. Stephan, Wien 1984), Traum und Wirklichkeit. Wien 1870–1930 (Künstlerhaus, Wien 1985), Wittgenstein. Das Spiel des Unsagbaren (Secession, Wien 1989) oder dem Symposium Das ästhetische Feld (Angewandte, Wien 1992) werden Entwicklungen wie die Kanonisierung der frühen Wiener Moderne und die späte Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit thematisiert. Die Ausstellung beleuchtet die gescheiterte Institutionalisierung von Praktiken der 1960er und 1970er Jahre an der Hochschule, Medienkunst und Neo-Geo, sowie ihre Hinwendung zur Institutional Critique. Nachgezeichnet werden auch die intergenerationellen Kampfzonen und der lange Weg zur Internationalisierung des Kunstfeldes im Kontext der Angewandten.
Fernheilung ist daher kein kulturhistorischer Abriss einer Dekade; vielmehr versucht die Ausstellung, den Zusammenhang stets verdichteter künstlerischer Produktion mit ihren sich rasch verändernden raum-zeitlichen Bedingungen zu fassen und derart der Sammlung selbst, über ihre spezifischen Grenzziehungen und Rahmungen hinweg, ein eigenständiges kulturelles Profil zuzuschreiben – auch auf die Gefahr hin, so ein weiteres Zerrbild des Zerrbildes zu erzeugen.
Programm
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Eröffnung